
Netanjahu bittet Rotes Kreuz um Hilfe bei Versorgung israelischer Geiseln

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) um Hilfe bei der Versorgung der im Gazastreifen festgehaltenen israelischen Geiseln gebeten. Der Regierungschef habe mit dem Leiter der IKRK-Delegation in der Region, Julien Lerisson, gesprochen, teilte Netanjahus Büro am Sonntag mit. Er habe ihn darum gebeten, die Versorgung der Geiseln mit Nahrungsmitteln und sofortiger medizinischer Hilfe zu unterstützen.
Die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas erklärte jedoch, sie werde dem IKRK den Zugang zu den Geiseln nur erlauben, wenn humanitäre Korridore für Hilfslieferungen im Gazastreifen eröffnet würden.
Die Al-Kassam-Brigaden, der bewaffnete Arm der Hamas, teilte zwar mit, er sei bereit, Anfragen des Roten Kreuzes zur Lieferung von Nahrungsmitteln und Medikamenten an die "feindlichen Gefangenen" positiv zu beantworten. Jedoch hieß es weiter in der Erklärung, zur Bewilligung solcher Anfragen müssten dauerhafte humanitäre Korridore eingerichtet werden, damit Nahrungsmittel und Medikamente "an unser ganzes Volks in allen Gebieten des Gazastreifens" geliefert werden könnten.
Die Al-Kassam-Brigaden teilte zudem mit, die Hamas hungere die Geiseln im Gazastreifen "nicht absichtlich" aus, "aber sie essen dasselbe Essen wie unsere Kämpfer und die Bevölkerung". Angesichts des Hungers und der israelischen Belagerung würden ihnen "keine Sonderrechte gewährt".
Die IKRK-Delegation in Israel und den besetzten Palästinensergebieten zeigte sich unterdessen "entsetzt" über die zuletzt von der Hamas und der mit ihr verbündeten Palästinensergruppe Islamischer Dschihad veröffentlichten, "erschütternden" Geisel-Videos. Die Delegation bekräftigte ihre Forderung nach Zugang zu den Geiseln, äußerte sich aber ansonsten nicht zur Frage der möglichen Versorgung der Geiseln durch das IKRK.
Die Hamas und der Islamische Dschihad hatten zuvor Propagandavideos von zwei jungen Männern verbreitet, die seit Oktober 2023 im Gazastreifen gefangen gehalten werden.
Eines der Videos zeigt den abgemagerten Evyatar David, wie er sich in einem engen Tunnel sein eigenes Grab zu schaufeln scheint. Ein anderes Video zeigt, wie der Deutsch-Israeli Rom Braslavski sich Nachrichtenvideos über die Hungersnot der Palästinenser im Gazastreifen anschauen muss. Die Videos sorgten in Israel und international für großes Entsetzen.
Nach knapp 22 Monaten Krieg zwischen Israel und der Hamas ist die humanitäre Lage im Gazastreifen verheerend. Mehr als hundert Hilfsorganisationen warnten kürzlich vor einem "massenhaften Verhungern" in dem Palästinensergebiet. International war daher zuletzt der Druck auf Israel gewachsen, mehr Hilfsgüter in den Gazastreifen zu lassen und einer neuen Waffenruhe zuzustimmen.
Ausgelöst worden war der Krieg durch den beispiellosen Großangriff der Hamas und mit ihr verbündeter Kämpfer auf Israel am 7. Oktober 2023. Dabei wurden nach israelischen Angaben 1219 Menschen getötet und 251 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Noch immer werden 49 Geiseln dort festgehalten, mindestens 27 von ihnen sind nach Armeeangaben jedoch tot.
Als Reaktion auf den Hamas-Angriff geht Israel seither massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben der Hamas-Behörden, die sich nicht unabhängig bestätigen lassen, bislang mehr als 60.400 Menschen getötet.
S.Escobar--HdM