
Sechs Journalisten bei israelischem Angriff im Gazastreifen getötet

Bei einem Angriff der israelischen Armee in der Stadt Gaza sind sechs Journalisten getötet worden, darunter Anas al-Scharif, ein bekannter Reporter des katarischen Nachrichtensenders Al-Dschasira. Die israelische Armee teilte am Montag mit, dass sie Al-Scharif gezielt attackiert habe, und bezeichnete ihn als "Terroristen". Der katarische Regierungschef Mohammed bin Abdulrahman Al-Thani, das UN-Menschenrechtskommissariat und Journalisten-Organisationen reagierten mit scharfer Kritik auf den Angriff.
Al-Scharif war eines der bekanntesten Gesichter von Al-Dschasira, für den Sender berichtete der 28-Jährige täglich aus dem Gazastreifen. Katars Regierungschef Al-Thani bezeichnete im Onlinedienst X den tödlichen Angriff auf die Journalisten als "Verbrechen jenseits jeder Vorstellungskraft".
Al-Dschasira hatte zunächst den Tod von Al-Scharif und vier weiteren Mitarbeitern des Senders bei dem Angriff gemeldet. Später stieg die Opferzahl nach Angaben des von der militanten Palästinenserorganisation Hamas kontrollierten Zivilschutzes auf sechs: Der Fotoreporter Mohammed al-Chaldi sei seinem bei dem Beschuss erlittenen Verletzungen erlegen, teilte Zivilschutz-Sprecher Mahmud Bassal mit.
Der Angriff der israelischen Armee hatte laut Al-Dschasira ein Zelt für Journalisten vor dem Haupttor des Al-Schifa-Krankenhauses in der Stadt Gaza getroffen. Getötet wurden dabei nach Angaben des Senders auch der Al-Dschasira-Reporter Mohammed Kreikeh sowie die Kameramänner Ibrahim Saher, Moamen Aliwa und Mohammed Nufal.
Die israelische Armee teilte im Onlinedienst Telegram mit, sie habe "in der Stadt Gaza den Terroristen Anas al-Scharif getroffen, der sich als Journalist für den Sender Al-Dschasira ausgab". Al-Scharif sei "ein Anführer einer Terrorzelle der Terrororganisation Hamas und verantwortlich für Raketenangriffe auf israelische Zivilisten und IDF-Truppen" gewesen.
Die Armee erklärte zudem, sie habe "Geheimdienstinformationen und zahlreiche im Gazastreifen gefundene Dokumente" veröffentlicht, die Al-Scharifs Mitgliedschaft im bewaffneten Arm der Hamas bestätigten.
Am Montag kamen am Angriffsort in Gaza mehrere Dutzend Menschen zu einer Trauerfeier für die Getöteten zusammen. Unter ihnen waren Männer in blauen Westen mit der Aufschrift "Press" (Presse), sie trugen die in weiße Tücher gehüllten Leichname mit unbedeckten Gesichtern durch die Straßen zu ihren Gräbern.
Neben der katarischen Regierung verurteilten auch die Vereinten Nationen und mehrere Nichtregierungsorganisationen die Tötung der sechs Journalisten scharf. Das Büro des UN-Menschenrechtskommissariats in Genf schrieb im Onlinedienst X von einer "schwerwiegenden Verletzung des humanitären Völkerrechts".
Das Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) zeigte sich "entsetzt". "Journalisten sind Zivilisten und dürfen niemals zur Zielscheibe werden", erklärte CPJ-Regionalleiterin Sara Kudah.
Die Organisation Reporter ohne Grenzen reagierte "wütend" und sprach von einem "von der israelischen Armee eingeräumten Mord. Al-Scharif sei "einer der berühmtesten Journalisten aus dem Gazastreifen und die Stimme des Leidens" gewesen, das "Israel über die Palästinenser im Gazastreifen gebracht hat". Die Angaben der israelischen Armee zu seiner angeblichen Tätigkeit für die Hamas hätten "keine Grundlage".
Der Deutsche Journalistenverband (DJV) forderte "Aufklärung über die Hintergründe der Tötungen". Zu den Angaben der israelischen Armee zu Al-Scharif erklärte der Verband, diese ließen sich "nicht unabhängig überprüfen, weil internationalen Journalisten der Zugang zum Gazastreifen verwehrt wird".
Das Auswärtige Amt in Berlin reagierte mit "Bestürzung" auf den Vorfall und forderte ebenfalls dessen Aufklärung. Ein Sprecher des Ministeriums appellierte an die Kriegsparteien im Gazastreifen, "Anstrengungen zu unternehmen, dass Journalisten ihrer Arbeit frei und sicher nachgehen zu können".
Laut Reporter ohne Grenzen wurden seit Beginn des Kriegs im Oktober 2023 bereits mehr als 200 Journalisten im Gazastreifen getötet. Wiederholt wurden auch Mitarbeiter von Al-Dschasira getötet.
Das Verhältnis zwischen Israel und dem Sender aus dem Golfemirat Katar ist seit Jahren angespannt. Die israelische Regierung hat wiederholt den Vorwurf erhoben, dass Mitarbeiter von Al-Dschasira an "terroristischen" Aktivitäten beteiligt seien und mit der Hamas in Verbindung stünden. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bezeichnete Al-Dschasira im vergangenen Jahr als "terroristischen Kanal". Der Sender weist die Anschuldigungen zurück.
Aktuell besteht ein Sendeverbot für Al-Dschasira aus Israel. Verhängt wurde es auf Grundlage eines im April 2024 verabschiedeten Gesetzes. Dieses sieht das Verbot ausländischer Medien vor, die als schädlich für die Sicherheit Israels angesehen werden.
O.Rivas--HdM